9. Januar 2008

Sehnsucht

Else Lasker-Schüler (1869-1945) Biographie

- Gott ist kein Spießer (Aus dem Jerusalemer Tagebuch von Werner Kraft) Begegnungen mit Else Lasker-Schüler in den letzten Jahre

- "Als Gottfried Benn im Februar 1952 im British Center in Berlin sein seither oft zitiertes Urteil verkündete: "Dies war die größte Lyrikerin, die Deutschland je hatte", wußten die meisten seiner Zuhörer mit dem Namen Else Lasker-Schüler kaum etwas anzufangen - und erst recht nichts mit ihren Gedichten. Die Nationalsozialisten hatten ganze Arbeit geleistet: Lasker-Schülers Werke waren verbrannt, die wenigen Zeichnungen, die es von ihr in deutschem Museumsbesitz gab, erst beschlagnahmt und dann billig verscherbelt worden. Mit ihrem 20. Todestag 1965 setzte zwar die langsame Wiederentdeckung der zeichnenden Dichterin ein. Eine philologisch haltbare Ausgabe ihrer Werke aber liegt erst jetzt vor, ein halbes Jahrhundert nachdem die deutsche Jüdin mittellos und einsam im unfreiwilligen Jerusalemer Exil starb."mehr

Ein Liebeslied

Aus goldenem Odem
Erschufen uns Himmel.
O, wie wir uns lieben...
Vögel werden Knospen an den Ästen,
Und Rosen flattern auf.
Immer suche ich nach deinen Lippen
Hinter tausend Küssen.
Eine Nacht aus Gold,
Sterne aus Nacht...
Niemand sieht uns.
Kommt das Licht mit dem Grün,
Schlummern wir;
Nur unsere Schultern spielen noch wie Falter.


Sehnsucht

Mein Liebster, bleibe bei mir die Nacht.
Ich fürchte mich vor den dunklen Lüften.
Ich hab' so viel Schmerzliches durchgemacht
Und Erinnerung steigt aus den Totengrüften.
Ich fürchte mich vor dem Heulen der Stürme
Und dem Glockengeläute der Kirchentürme,
Vor all' den Thränen, die heimlich fließen
Und sich über meine Sehnsucht ergießen.

Leg deine Arme um meinen Leib,
Du mußt ihn wie dein Kind umfassen;
Ich seh' im Geiste ein junges Weib -
Das Weib bin ich - von Gott verlassen .....
Mein Liebster, erzähle von heiteren Dingen!
Und ein Lied von Maienlust mußt du singen!
Und herzige Worte und schmeichelnde sag -...
Damit sie die Raben des Schicksals verjagen.

Mein Liebster, siehst du die bleichen Gespenster?
Von mitternächtlichen Wolken getragen...
Sie klopfen deutlich ans Erkerfenster.
Ein Sterbender will »Lebewohl« mir sagen.
Ich möchte ihm Blüten vom Lebensbaum pflücken....
Und die Schlingen zerreißen, die mich erdrücken!
Mein Liebster, küsse, - küß' mich in Gluten
Und laß deinen Jubelquell über mich fluten!

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