27. Juli 2009

Kleines Drama in 3 Akten

AKT 1

Juli, Nacht in einer fremden Stadt. Die Balkontür schlug mal schneller, mal langsamer an den Rahmen im Takt des Durchzuges, während das Gespräch durch die Luft drang:


Sie: Wieso hast du von Anfang an nicht gesagt, dass du den Film nicht magst?

Er: Ich mag ihn... Aber da ist eine Libelle im Zimmer und sie macht mir Angst.


Er springt hastig von seinem Platz auf dem Teppich auf.

Sie: Sie beißt dich doch nicht. Dank deiner Befindlichkeiten weiß ich nicht mehr, was mit dem Jungen geschah.
Er: Du hast selbst ausgeschaltet.
Sie: Weil du es nicht mochtest, eine Riesenlibelle sahst und ich sie töten musste.

Er: Wir haben unterschiedliche Vorstellungen von der Kunst. Du musstest sie nicht töten. Sie war nur riesig und würde mich beißen.

Sie sperrt ihn aus. Die Tür knallt zu.


Sie mit dem Besen
: Ich kann sie nicht töten. Ich kann es einfach nicht über mich bringen.


Sein Kopf zeigt sich in der Türöffnung


Sie
: Du bist schlimmer, als Frauen.

Er: Ich habe eben diese Phobie. Niemand hat dich gebeten, den Film auszuschalten.

Sie: Weichei!

Er: Prinzessin bin ich.

Sie: Wenn du Prinzessin bist, dann bin ich der Prinz von Preußen.


Das Licht wurde ausgeschaltet, die Libelle blieb auf dem Vorhang sitzen.


AKT 2

Später im Bett.

Er: Ich habe alles: Ein gedecktes Konto, eine Frau und (nach einer Pause) ... eine Erektion.

Auf einmal hörte sie das Flattern der Flügel, die Libelle flog in das Schlafzimmer hinein.
Sie bekam Angst.


Er: Sie beißt dich nicht.



AKT 3

Nachts träumte sie von einer Brahms-Aufführung vor weißen Kühen, die ihre Köpfe im Takt des Dirigentenstabes bewegten. Das verstaubte Wessels-Buch unter ihrem Arm. Als sie nach Hause eilte, drehte sie sich um. Gleich nach ihr schritt jemand aus ihren früheren Träumen - jemand, den sie liebte.

Sie zum Verfolger: Ich habe dich mit dem Rücken gespürt.

Er lächelte.
Sie sah durch ihn durch.

Eine Libelle
setzte sich plötzlich auf ihre Wange. Sie wachte auf. Neben ihr lag ein Anderer.

27. Juli 2009


Zemfira "Want it"


Übersetzung des Liedes aus dem Russischen:

Please don't die
Or I will have to as well
You, of course, to heaven right away
But I don't think that as well

Want it - sweet oranges
Want it - long tales out loud
Want it - I will blow up all the stars
That are ruining your sleep

Please only live
You must see that I live by you
My enormous love
Will be more than enough for both of us

Want it - sea with sails
Want it - all the newest music
Want it - I will kill all the neighbors
That are ruining your sleep

Want it - sun instead of a lamp
Want it - Alps behind the window
Want it - I will give all the songs
About you I will give all the songs…
Want it - sun instead of a lamp
Want it - Alps behind the window
Want it - I will give all the songs
About you I will give all the songs…

(
Quelle)

Die große Depression in den USA in Bildern

Bis zum 23. August 2009 können großartige Bilder von Walker Evans im Fotomuseum Winterthur (Zürich) angeschaut werden.
"Mit der grossen Werkübersicht von Walker Evans (1903–1975) zeigt das Fotomuseum Winterthur einen der einflussreichsten Fotografen des 20. Jahrhunderts. Seine luziden, detailreichen Grossbildaufnahmen des amerikanischen Lebens, vor allem auch der Armut des ländlichen Lebens während der grossen Depression, haben Fotogeschichte geschrieben und Heerscharen von Fotografen und Fotografinnen geprägt.
Walker Evans ging in seinem vielfältigen Schaffen äusserst innovativ vor und wusste die Essenz des „American way of life“ festzuhalten. Die retrospektiv angelegte Ausstellung mit über 130 Werken (die meisten Werke kommen aus einer Privatsammlung aus San Francisco) umfasst alle Schaffensphasen: die frühen Strassenfotografien aus den 1920er Jahren, die bewegende Dokumentation der Wirtschaftskrise der 1930er Jahre in den USA und auf Kuba, Landschafts- und Architekturaufnahmen, Subway-Porträts, Ladenfronten und Werbetafeln, usw. 

Seine Modernität liegt vor allem darin, dass er schon in den 1920er bis 1930er Jahren seine Fotografie von allen Fragen der Kunst und des Stils befreite und den frontalen Zugang zur Wirklichkeit suchte. Der Gegenstand sollte fortan als ein fotografierter Gegenstand erscheinen und nicht als fotografischer Gegenstand. Sein Werk thematisierte wesentliche Aspekte der Fotografie: 1. Der Gebrauch des Zufalls als schöpferisches Prinzip; 2. Überlegungen zur Vereinnahmung des Bildes als Massenware; 3. die Serialität im fotografischen Prozess; 4. die Zweideutigkeit der Fotografie zwischen Dokument und Kunst; 5. die Anonymität im Bild als Befreiung aus der subjektiven Ästhetik. Diese Neuerungen im Verständnis und im Umgang mit Fotografie sollten für die Künstler-Generationen der 1960er und 70er Jahre prägend werden (Pop Art, Ed Ruscha, Andy Warhol, Robert Frank, Lee Friedlander oder Lewis Baltz)."(Aus der Pressemitteilung)
Eine interessante Reportage über Walker Evans und Henri Cartier-Bresson auf arte über die bereits vergangene Ausstellung in Paris, die sich ebenfalls der Amerika in den 1920er und 1930er Jahren widmete:

Gelbe Blumen


Immer, wenn ich gelbe Blumen sehe, welche es auch sein sollten, denke ich der Farbe wegen an ein bestimmtes Buch. Wie schön, dass jemand gerade diesen Auszug aus dem berühmten Roman von Bulgakow veröffentlicht hatte. (In Russland war Gelb die Farbe der Trauer, von Sorgen und Trennung. Daher vermied man es oft, sie zu schenken.)
"(...) Sie hatte widerliche Blumen von beängstigendem Gelb in der Hand. Weiß der Teufel, wie sie heißen, aber die sind die ersten, die man in Moskau bekommt. Diese Blumen hoben sich deutlich von ihrem schwarzen Frühjahrsmantel ab. Gelbe Blumen trug sie! Eine ungute Farbe. Sie bog in eine Gasse ein und drehte sich um. ...ich schwöre Ihnen, sie sah nur mich, und ihr Blick war irgendwie krankhaft. Mich beeindruckte nicht so sehr ihre Schönheit wie die ungewöhnliche Einsamkeit in ihren Augen, eine nie gesehene Einsamkeit! ....Es war qualvoll für mich, denn mir schien, ich müsse mit ihr reden, aber ich fürchtete, ich würde kein Wort herausbringen und sie würde weggehen und ich würde sie nie wieder sehen. Und stellen Sie sich vor, plötzlich sagte sie: „Gefallen Ihnen meine Blumen?“
Ich erinnere mich genau, wie ihre Stimme klang, ziemlich tief, aber brüchig... Ich ging rasch zu ihr hinüber und antwortete: „Nein!“
Sie sah mich verwundert an, und plötzlich, völlig unerwartet, wurde mir bewusst, dass ich gerade diese Frau schon mein Leben lang geliebt habe.
Die Liebe sprang uns an, wie ein Mörder in einer dunklen Gasse sein Opfer anspringt, und traf uns beide. So schlägt ein Blitz ein, so stößt ein Finnenmesser zu! Sie pflegte übrigens später zu sagen, so sei es nicht gewesen, wir hätten einander schon seit langem geliebt, ohne uns zu kennen, ohne uns je gesehen zu haben. Sie lebte damals mit einem anderen Mann ... Und ich auch, damals... (...)"

Michail Bulgakow
„Der Meister und Margarita“ "[Quelle]


[Bild von Ann]

11. Juli 2009

Vivaldi und Angelegenheiten in da capo

Antonio Vivaldi, Konzert für Flöte, g-moll.



Liebe, da capo

Auf einmal bist du wieder da
Und jeder brave Vorsatz ist verloren.
Ich hatte es mir diesmal zugeschworen;
...Und kämst du selbst aus Innerafrika:

Aus und vorbei! - Doch schon ist es zu spät.
Nun sitze ich, wie das heißt, in deinen "Netzen".
Man sollte meine Seele strafversetzen
In ein Revier, das dir nicht untersteht.

Wußt ich den nicht, daß es sehr ratsam ist,
Dich mit gut eingeübter Kühle fortzutreiben?
Wie aber soll ich den vernünftig bleiben,
Wenn du mir leider so sympathisch bist?!

Als wäre nichts geschehn, tauchst du nun auf,
Mein kleines bißchen Ruhe zu zerstören.
Es ist so schwer, das Böse abzuwehren.
- Ich geb es auf

Und weiß: ein Herz, das man schon einmal verlor,
Reist nur noch in getragenen Gefühlen.
Und während wir noch einmal "Liebe" spielen,
bereite ich mich zum nächsten Abschied vor.

Mascha Kaléko


"Da capo (ital.: „vom Beginn an“) ist die Spielanweisung, ein Musikstück von der so bezeichneten Stelle an von vorne (da capo) zu beginnen. " wikipedia

8. Juli 2009

Interview mit dem Spiegel

Man sieht in den großen Wandspiegel mit kleinen Kratzern und fragt sich:

- In wessen Zuständigkeitsbereich gehört die Frage nach der Gerechtigkeit, dem Erfolg, nach der Verteilung der Unglücksseligkeit unter den Lebenden auf diesem Planeten, Armut?
Es gibt keinen G-tt.

- Wer ist zuständig für das geleistete Tun tagtäglich? Taten sind gute Taten und Taten sind abscheuliche Untaten. Wer ist zuständig für das Gewissen?
Es gibt keinen Richter, der in jeden gesetzt ist und von oben herabschaut. Denn jeder wird von dem "Ich" überredet, dasjenige zu erbringen, was man will. Der universelle Richter - die Jurisprudenz besteht aus den verstaubten Entscheidungssammlungen, den Neuentwürfen der alten Gesetze und einer hinkenden Gerechtigkeit. Aber Justicia - die Dame der Gerechten erfährt trotz der Binde nur das sichtbar Gewordene.
- Was ist mit dem Verborgenen?
Es gibt keine Hellseher.

- Wer ist zuständig für das Talent? Für die überschnappende Kreativität? Für die augenscheinlich aussichtslose Ausweglosigkeit?
Es gibt keine Wunder.

- Wer ist verantwortlich für den Unglauben an das Gute?
Nicht die Anderen.

- Wer ist verantwortlich für das Glück, für die Liebe?
Man selbst.


Folgende Überlegungen zur Poetik haben mir sehr gefallen:
Über Gedichte:
"[...] Sind wir nicht sehr empfindlich und sehr nüchtern geworden und bis zum Exzeß abweisend gegen Sprachrausch einerseits und konservatives Wortbiedermeier andererseits, dies affektiert Kranke und dies affektiert Gesunde, sind wir nicht im Begriff, uns von keinem mehr faszinieren zu lassen. Verlangen wir nicht vielleicht nichts mehr, als ein neues Rechtsverhältnis zwischen der Sprache und dem Menschen herzustellen.
(...) Die Literatur hinter uns, was ist denn das: von Herzwänden geschnittene Worte und tragisches Schweigen, und Brachfelder von zerredeten Worten und Tümpel von stinkendem, feigem Schweigen, und von zweierlei Art. Und immer winkt und verlockt beides, unser Anteil am Irrtum, der ist ja gesichert, aber unser Anteil an einer neuen Wahrheit, wo beginnt der?"

5. Juli 2009

"Let me put my love into you"

Gegen die Erstarrung:

AC/DC "Let me put my love into you"




Pink Floyd "Marooned"

4. Juli 2009

Erstarrt im Juli

Für Dich

* * *

Gedichte sind verschwunden,
Verloren aus dem Kopf.
Als Leben sie erdrückte,
Riss sie die Freiheit los.

Jetzt bin ich festgebunden,
Die Knie sind im Moor.
Die Liebe ging uns suchen,
Ich fliehe von ihr fort.

Bring mich zu deinem Herzen.
Bring mich zurück zum Ort,
An dem dein Wort mich koste.
Ich fliehe von dir fort.

Schreib mir von deinen Schmerzen.
Ich liebe dich, du Narr.
Dich nicht mehr fühlen wollend,
Erstarrt mein Herz und weint.

04.07.2009



Bild von S.

Die Liebe im Exil

»Ich bin gar nicht mehr zum Alleinsein gemacht.« Hilde Domin
Hilde Domin
Zum 100. Geburtstag am 27. Juli 2009

Liebe im Exil / Sämtliche Gedichte
S. Fischer Verlag


Die Liebe im Exil
Briefe an Erwin Walter Palm aus den Jahren 1931-1959
Herausgegeben von Jan Bürger und Frank Druffner
[erwerben auf fischerverlage]

"In Hilde Domins Nachlass finden sich weit über tausend Briefe, die sie mit ihrem Mann gewechselt hat: leidenschaftliche Liebesbotschaften ebenso wie anrührende Zeugnisse der Heimatlosigkeit und der Verlassenheit. 1933 wird Italien, der ersehnte Süden, zum ersten Exil. Bis Hitlers Rassegesetze auch hier wirksam werden. Die unfreiwillige Reise des jungen Paares führt beide 1939 zunächst nach England und dann in die Karibik, nach Santo Domingo. Dort richten sie sich ein, gerettet und gefangen zugleich, bis zu ihrer Rückkehr nach Deutschland im Jahr 1954.
Hilde Domins Briefe werfen ein neues Licht auf ihr bewegtes Leben. Als Dichterin ist sie berühmt, als großartige Briefautorin kann sie nun anlässlich ihres hundertsten Geburtstags am 27. Juli 2009 entdeckt werden.

Sämtliche Gedichte
Mit einem Nachwort von Ruth Klüger
Herausgegeben von Nikola Herweg
[erwerben auf fischerverlage]
»Hilde Domin redet sowohl über brennende Nächte wie über Rosen. Die Exilantin, die die Gegenstände der eingerichteten Welt hinter sich gelassen hat, richtet sich ein im Bereich der Phantasie.« Ruth Klüger
Erstmals werden mit diesem Band alle Gedichte Hilde Domins in der Chronologie der Einzelausgaben, ergänzt um verstreut publizierte und Gedichte aus dem Nachlass, vorgelegt. Ein editorischer Anhang und ein Nachwort von Ruth Klüger komplettieren diese Neuausgabe.

Hilde Domin,
am 27. Juli 1909 in Köln geboren, starb am 22. Februar 2006 in Heidelberg. Sie studierte Jura, Philosophie und politische Wissenschaft, promovierte 1935 in Florenz. Sie war Lehrerin in England, Universitätsdozentin in Santo Domingo, Übersetzerin und Photographin. Nach 22-jährigem Exil kehrte sie nach Deutschland zurück und lebte seit 1961 in Heidelberg. 1951 schrieb sie die ersten Gedichte, veröffentlichte seit 1957 und erhielt zahlreiche Literaturpreise, u.a. 1999 den Jakob-Wassermann-Preis der Stadt Fürth. Ihre Gedichte wurden in 22 Sprachen übersetzt."

Dresscode

So erkannte ich wieder die Spezies von Juristen, mit denen ich die wenigsten Gemeinsamkeiten während des Studiums finden konnte.
Dresscode. Warum sehen Juristen eigentlich alle gleich aus?

"Mancher sagt, Juristen seien noch besser gekleidet als BWLer. Woran mag das liegen? Vielleicht an dem von unbekannter Hand verfassten Aushang über die „Richtlinie zur angepassten Kleidungswahl am Juridicum" am Schwarzen Brett der juristischen Fakultät der Universität Bonn. Wir geben es hier vollumfänglich wieder." Den Artikel lesen

Annie Leibovitz: Life through a lens

Eine Interessante Dokumentation über die berühmte amerikanische Fotografin "Annie Leibovitz: Leben in Bildern" (OT: Annie Leibovitz - Life through a lens), USA, 2005, 79 Min., Regie: Barbara Leibovitz.

[wikipedia: Annie Lebovitz

(Es sind 6 Video-Teile des Films, die im Youtube-Player nacheinander abgespielt werden)

Über die Beziehung zwischen Leibovitz und Sontag:
"(...) Und immer wieder Bilder von Susan Sontag. In einem Interview mit dem „Guardian“ hat Leibovitz neulich über ihre Verbindung gesprochen. Wörter wie „Begleiterin“ oder „Partnerin“ seien nicht in ihrem Vokabular gewesen, sagte sie: „Wir waren zwei Menschen, die sich gegenseitig durchs Leben halfen. Das Wort, das es am ehesten trifft, ist wohl ,Freundin'.“
Sie reisten zusammen - nach Venedig, Berlin oder Mexiko, nach Ägypten und Sarajevo, wo Leibovitz eine Reportage über den Krieg machte. In Manhattan wohnten sie in zwei Apartments, die einander gegenüber lagen. Sontag habe sie angespornt, besser zu sein, schreibt Leibovitz im Vorwort. Und die jüngere half der älteren schließlich in den Tod, begleitete sie durch eine erste Krebserkrankung, die geheilt werden konnte, und durch die zweite, dokumentierte die Folgen der Krankheit mit der Kamera, den Verlust der berühmten schwarzweißen Haare, den ganzen schmerzhaften Prozeß, wie ein vertrauter Mensch sich aufzulösen beginnt und zuletzt unter einer Steinplatte auf dem Friedhof von Paris-Montparnasse liegt, derselbe Mensch, der eben noch, vor wenigen Jahren, ein paar Seiten weiter vorne, durch Long Island radelte, in Hotelzimmern las, schrieb, in einem Bärenkostüm auf das Jahr 2002 anstieß.(...)" Quelle
Interessant ist auch dieser englische Artikel: Susan Sontag and a Case of Curious Silence