9. Februar 2010

Dein Himmel über Berlin

Er zieht weg... Mein Tucholsky...

Wie Rose Ausländer einst schrieb:

"Wir werden uns wiederfinden
im See
du als Wasser
ich als Lotusblume

Du wirst mich tragen
ich werde dich trinken"
zum Gedicht


Vielleicht irgendwann auch wir... In diesem Berliner Cafe "Anna Blume". Warte da auf mich...

Im Jahre 1987 drehte Wim Wenders einen sehr poetischen Film "Der Himmel über Berlin" (engl. Titel "Wings of Desire") über zwei Engel Damiel und Cassiel, die im geteilten Berlin unterwegs sind, nur den Augen der Kinder sichtbar. Bis sich einer der Engel in eine irdische Frau verliebte...


"Der Himmel über Berlin
ist eine poetische Liebeserklärung an das menschliche Leben und seine Sinnlichkeit, ein Film, der über die Schönheit der Welt und über die kleinen Wunder des Alltags philosophiert. Meditative, teils dokumentarische Bilder der Großstadt Berlin, Traumvisionen, Zirkusnummern und Rockmusikeinlagen verleihen dem Film eine magische Schwerelosigkeit. Aufregend schöne Aufnahmen fremdartiger, großstadtromantischer Landschaften lassen an Walter Ruttmanns "Berlin, Sinfonie einer Großstadt" (1927) denken. Erst mit der Metamorphose des Engels Damiel geht eine ästhetische Veränderung einher: Die geheimnisvolle, distanziert wirkende Hyperrealität in Schwarz-Weiß verwandelt sich in lebensnahe Farbigkeit, und die verträumten, fremdartig wirkenden Dialoge verändern ihren Ton.(...) " weiter lesen

Kurt Tucholsky

Berlin! Berlin!

"Berlin hat keine sehr gute Presse im Reich; voller Haß wird diese Stadt kopiert. Was geht da vor?

Einer der Oberschreier im Kampf der Wagen und Gesänge ist Hugenberg. Der hat sich aus den übelduftenden Restbeständen der schmutzigen wiener ›Stunde‹ ein paar Schaufensterdekorateure herangeholt, die, Bonifacio Kiesewettern gleich, die Mauern mit merkwürdigem Farbstoff beklecksen und ihr ottakringer ›Hoppauf!‹ in das gute ›Gib ihm Saures!‹ täppisch zu übertragen versuchen. Wie da Hunderttausende von Lesern sich selbst ausnehmen, wenn Berlin als radikale Lasterhöhle beschimpft wird, wie gleichzeitig der schlecht gelüftete Amtsgerichtsrat in der Provinz sein Germanentum attestiert bekommt und Berlin als bolschewistisches Judennest angeprangert wird – immer mit Ausnahme der geehrten Abonnenten, die wir besonders auf unsern Anzeigenteil verweisen –: das wäre zum Entzücken gar, wenn das Blatt nun auch noch auf Rollen gedruckt wäre.
(...)

Ich liebe Berlin nicht. Seine Wendriners hat Gott in den Mund genommen und sofort wieder ausgespien; seine Festlichkeiten sind sauber ausgerichtet; seine Dächer sagen nicht zu mir: »Mensch! Da bist da ja!« Ich liebe diese Stadt nicht, der ich mein Bestes verdanke; wir grüßen uns kaum. Aber wenn man diese Kulturtrottel in allen Orten des Reiches sieht, ist zu sagen:

Es ist ein kindliches Spiel, die Angst vor der Aufteilung der Bankkonten, Angst vor Unbequemlichkeit, Kasteneitelkeit und unfruchtbare Bildung, die mit dem Blick auf Laotse über den mißhandelten Zuchthäusler nicht einmal stolpert, auf eine Schießbudenfigur ›Berlin‹ zu pappen und nun nach der Scheibe zu schießen. Scheibe. Verfaule in deiner faulen Bildung, Gebildeter. Versauf in feinen Formulierungen, Brillenkerl. Lächle überlegen – ach, bist du kultiviert!

Wenn das Berlin ist: Radikalismus in Militärfragen, Unbedingtheit gegen den Stahl- und Kohlen-Patriotismus; Haß gegen Verblödung durch die Pfarrer Mumm und Pfarrer Heuss; Sabotage der Vorbereitungen zum nächsten Schlachten durch Kriegsminister Geßler, Judikatur und Schule, wenn das alles ›Berlin‹ ist –: dann sind wir und unsre Freunde im ganzen Reich, in Hagen und an der Wasserkante, in der Mark und im sächsischen Industriebezirk, dann sind wir für diese Stadt, in der immerhin Bewegung ist und Kraft und pulsierendes rotes Blut. Für Berlin." weiter lesen

(Ignaz Wrobel, Die Weltbühne, 29.03.1927, Nr. 13, S. 499.)

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