26. September 2010

Die nackte Pest

* * *
Die Wolke wollte deinem Geiste hören.
Sie ließ dich ruhen, gleich in ihrem Bett.
Das Laken diente als der Fallschirm gegen Träume,
Die aus dem Nichts beharrten in dein Netz.

Die Nacktheit ist bedeckt von Spinnenweben,
Als Morgen dich aus Wonne schreckend weckt.
Der Tag bricht an, und auch die Woche eilend.
Die Kälte menschliche verglüht, du Herz.

Du strebst zum Fremden und zum Neuen,
Verlierst dabei an Federn, Mensch.
Am Ende fliegst du zu der Wolke wieder träumvoll
Und bittest sie um Schutz vor dieser Pest.

20.09.2010




* * *
Ich flüstere - du schreist die Sterne an.
Bin frei - du bindest mich an Himmels Tore.
Die Küsse Anderer - sie schmecken nicht nach mir,
Bloß Rauch, Bier, Menthol.
Ich fliehe, werfe Kleider fort.
Bin nackt - du immer angezogen.

26.09.2010

16. September 2010

Wenn die Sterne entzündet werden...

... heißt das - das wäre jemandem nötig?

Der Futurist Wladimir Majakovskij (1893-1930). In ihn nicht verliebt zu sein, scheint unmöglich zu sein. In dem folgenden Video kann man der Stimme des Dichters beim Rezitieren zuhören.



Hört mal her!

Hört mal her!
Wenn nämlich die Sterne entzündet werden,
heißt das – das wäre jemandem nötig?
Heißt das – jemand möchte, dass es sie gibt?
Heißt das – jemand nennt diese Rotzfleckchen Perlen?
Und, sich durch staubige Schneestürme
mittäglich kämpfend,
in der Furcht, sich zu verspäten,
drängt sich dann jemand zu Gott empor,
heult,
küsst dessen sehnige Hand,
bittet,
dass unbedingt ein Stern dazusein hat! –
schwört –
dass er diese sternlose Qual nicht mehr aushält!
Und später
geht er besorgt,
doch äußerlich ruhig,
sagt jemandem:
»Macht dir das nichts aus?
Ist das nicht schrecklich?
Ja?!«
Hört mal her!
Wenn nämlich die Sterne
entzündet werden,
heißt das – das wäre jemandem nötig?
Heißt das – es ist unverzichtbar,
dass jeden Abend
über den Dächern
zumindest ein Stern erstrahlen muss?!

(1914)

[Deutsche Übersetzung aus dem Russischen von Eric Boerner]




Послушайте!

Послушайте!
Ведь, если звезды зажигают -
значит - это кому-нибудь нужно?
Значит - кто-то хочет, чтобы они были?
Значит - кто-то называет эти плевочки
жемчужиной?
И, надрываясь
в метелях полуденной пыли,
врывается к богу,
боится, что опоздал,
плачет,
целует ему жилистую руку,
просит -
чтоб обязательно была звезда! -
клянется -
не перенесет эту беззвездную муку!
А после
ходит тревожный,
но спокойный наружно.
Говорит кому-то:
"Ведь теперь тебе ничего?
Не страшно?
Да?!"
Послушайте!
Ведь, если звезды
зажигают -
значит - это кому-нибудь нужно?
Значит - это необходимо,
чтобы каждый вечер
над крышами
загоралась хоть одна звезда?!

(1914)

15. September 2010

Du erkennst mich nicht wieder

Ich liebe dieses Lied!!! Schön, so schön, so wahr! Gerade jetzt sind die Ohren betäubt mit dieser Musik und Lyrik (sie hat ihn nicht erkannt, ihm direkt ins Gesicht schauend), herzzerstückelnd, in der letzten Wärme dieses Jahres draußen sitzend, weit weg..

MiNIMUM singt auf Russisch "Du erkennst mich nicht wieder" (Das Original gab es von "Wir Sind Helden", auf Russisch ist der Text etwas abgeändert, am Ende singt MiNIMUM kurz auch auf Deutsch)


Die Hamas und die gleichberechtigten Frauen

Die Marxisten wissen es natürlich in ihrem Kommentar besser. No comment.

Wie steht die Hamas zur Gleichberechtigung von Frauen?

"(...) Die Hamas sagt, dass nach dem Koran Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Sie argumentiert weiter, dass die Frau berechtigt ist, gegen Unrecht und Besatzung zu kämpfen. Weder ihr Mann noch ihre Familie dürfen sie daran hindern. Ansonsten platziert die Charta der Hamas die Frau jedoch ausschließlich im Kontext von Ehe und Familie. Inzwischen hat sich hier vieles verändert. Die soziale Realität in Palästina ist längst eine andere als jene, die viele der Männer, die die Hamas bis heute dominieren, gerne sehen. Es scheint vielmehr, dass sich die Frauen in der Hamas zusehends ihren Platz erobern und sich langsam auch durchsetzen. Zum anderen sollte nicht übersehen werden, dass viele Phänomene, die von außen als Aufoktroyierung von Hamas-Vorstellungen interpretiert werden, einfach Teil einer zutiefst konservativen Gesellschaft sind und mit der Hamas nichts zu tun haben. Anders formuliert: Die palästinensische Gesellschaft wird in den nächsten Jahren sicher noch viele Veränderungen durchlaufen müssen, ehe Frauen in jeder Hinsicht gleichberechtigte Mitglieder dieser Gesellschaft sind. Dafür kämpfen viele palästinensische Frauen. Und sie können das besser, als wenn sich von außen Besserwisser einzumischen versuchen, die konsequent vergessen haben, welche Probleme Frauen auch in den Gesellschaften des Nordens bis heute noch haben. (...)"

Quelle: marx21.de

Happiness

Karolina "Happiness" (Hebr. / engl.)

14. September 2010

Vermisse

Feine Netze weben die Spinnen, um den Sommer zu fangen. Doch wird es wohl die Sizyphosarbeit sein. Sie haben den Wind nicht bedacht. Er entreißt sie selbst samt der restlichen Wärme und schleudert durch die Tage. Ich kündige! Kündige der Kälte! Es lebe die inspirierende Glückseligkeit der Sonnenstrahlen, der Neuanfang weit von hier weg. Ich vermisse dich, Leben. Ich vermisse dich, Liebe.
14.09.2010

11. September 2010

An einem Herbsttag

Bis vor zwei Wochen vor dem Unglück ging ich oft an den Türmen mehrmals am Tag vorbei und reckte meinen Kopf, bis es nicht mehr ging, um ihre Spitzen zu sehen, was mir aber nie gelang. Ich sah sie von der Ellis Island aus, von der Aussichtsplattform des Empire State Building, habe es aber nicht gewagt, noch höher zu steigen, um die Stadt von Twin Towers aus zu betrachten. Es war mein erstes Mal in New York. Noch hatte ich das Glück, das unbeschwerte Leben da kennenzulernen und einzuatmen... Als "es" geschah, hat es mich ins Herz getroffen...


9/11 Times Nine

"(...) The piece that has stayed in my mind most vividly, somehow, is one Anthony Lane, our film critic, wrote about disaster movies, of all things—a Schwarzenegger vehicle, “Collateral Damage,” had been postponed because of the attacks. In particular, I remember this passage:

To be forced to disdain the ideal in favor of the actual is never a pleasant process. Even at its worst, however, it can deliver a bitter redemption. We gazed upward, or at our TV screens, and we couldn’t believe our eyes; but maybe our eyes had been lied to for long enough. Thousands died on September 11th, and they died for real; but thousands died together, and therefore something lived. The most important, if distressing, images to emerge from those hours are not of the raging towers, or of the vacuum where they once stood; it is the shots of people falling from the ledges, and, in particular, of two people jumping in tandem. It is impossible to tell, from the blur, what age or sex these two are, nor does that matter. What matters is the one thing we can see for sure: they are falling hand in hand. Think of Philip Larkin’s poem about the stone figures carved on an English tomb, and the “sharp tender shock” of noticing that they are holding hands. The final line of the poem has become a celebrated condolence, and last Tuesday—in uncounted ways, in final phone calls, in the joined hands of that couple, in circumstances that Hollywood should no longer try to match—it was proved true all over again, and, in so doing, it calmly conquered the loathing and rage in which the crime was conceived. “What will survive of us is love.”" weiter lesen

Weitere Artikel:

10. September 2010

Scheherazade

Bild: The Spade Girl (1928, from the Library of Congress) via flickr



Agi Mishol "שחרזאדה"
Scheherazade

Ich bin es, Scheherazade der Gedichte,
und ich weiß nicht, wie viel Zeit mir noch geblieben
zwischen Einatmen und Ausatmen, Leben und Tod.

Eine seltsame Strafe legten sie mir auf, die Götter:
Je mehr ich mich enthülle, um so weniger werde ich,
und mit jeder Hand, ausgestreckt zu meinem Gesicht, deinem Gesicht,
schwindet mein ewiges Leben
in deinem Herzen.

Sultan des Redens,
sieh, wie ich mich hier in den Schleiern verheddere.


Ich möchte nicht erstarren, unberührt, auf einem Sockel
in der Frauengalerie deines Harems
mit all dem dargebrachten inniglichen Flüstern:
auch wenn ich strahle wie der Morgenstern,
was habe ich davon.

Genug mit dem Hin und Her der Maus zwischen deinen Fingern,
genug gesungen auf den leisen Tasten des PC’s,
was zählt der Verstand ohne Liebe,
und was zählen die Augen ohne einen rechten Klick.

Lass ab vom Schwarm deines schwirrenden Kopfs
und ruhe in mir,
die Sehnsucht (sorge dich nicht) endet niemals,
und die Seele, wie ein Glühwürmchen
flackert, flackert.

Meine schönsten Gedichte schreibe ich,
wenn ich die Wunden der kleinen Pfeile lecke, allein.
Und wenn dereinst ich sterbe in deinem Herzen,
dem nach Durst dürstenden Herzen
– wirst du in ihnen erwachen
zu ewigem Leben.

Übersetzt von Lydia Böhmer


9. September 2010

Zol Zayn

Chava Alberstein singt auf Yiddisch jedem Herzen nah, was Träume sind. Yiddisch ist die Muttersprache meines alten Vaters, die nach dem Krieg nie wieder seine Lippen verlassen hatte... Lange habe ich dieser Sprache keine Bedeutung beigemessen, bis ich davon berührt wurde. Tief berührt... Wer weiß, vielleicht werde ich irgendwann Gedichte auf Yiddisch lesen und sogar schreiben können...

"Zol Zayn" (mit engl. Untertiteln)



"And suppose I build castles in the air
And suppose my God doesn't exist at all
In a dream everything is brighter and better
In a dream the sky is bluer than blue ..."


Ein kleiner Ausschnitt aus der Biographie dieser wundervollen und bekannten israelischen Sängerin:
"... “In Israel, you would be hard-pressed to find anyone today composing and singing in Yiddish," said Klezmatics lead singer Lorin Sklamberg. "Some people still see Yiddish as the language of soft Jews who can't protect themselves. But Chava understands the joy and depth of the language."

Yiddish was the mother-tongue of Alberstein's family in the small town in Szczecin, Poland, where Chava was born. Her family moved to Israel when Alberstein was only 4-years-old, but Chava says she has never totally lost the feeling of being a stranger.

"No matter where I am, even if it's in my own country, I feel like a bit of a guest," she said. "People can appreciate this today, because they move around so much. Every country you go to in the world is filled with so -called foreigners."... " weiter die Biographie lesen

Sie war vor kurzem in Berlin, aber leider war ich nicht mehr da. Wie schade. Noch ein weiteres Lied von ihr ist sehr schön: