22. März 2012

Leise

Das Wasser, das mit Regen kam.
Das Meer, von dem die Lippen tranken.
Verschenkt der Furcht, behielt die Nacht
Der Schönheit Schluchzen haltend.

11:20, 18. März 2012


Morgen geschieht etwas, was man nicht erhofft, nicht erwartet, nicht geträumt hätte. Früher dachte ich, dass man erst dann laut gelesen wird, wenn man tot ist. Jedoch lebe ich, lebe und atme ich, und das Herz schlägt, schlägt den Takt dem Frühling im Voraus, dem Leben heilige Sekunden stehlend. Morgen liest man in Bochum meine Gedichte. Ein Staffellesen zur Rettung der Bibliotheken, die Schriftsteller, Dichter aus der Region lesen aus Protest gegen die Schließung der Lesehäuser. Dabei sind auch meine Verse, gelesen von einer Schriftstellerin im literarischen Salon. Unerwartet ist manchmal das Leben. 

Leise behielt ich alles in mir und zwang mich, monatelang nicht zu schreiben, hielt mich zurück. Aus Protest gegen das Leben. Dummerweise dachte ich, dass es klappen würde, stumm zu sein. Dummerweise dachte ich, dass ich das Leben und mich selbst vor allem verneinen kann. Die Flut der Worte kann ich aber nicht unterdrücken. Ich schreibe, ich werde schreiben, ich will.

Auf dem Weg nach Hause begegnete ich heute fast mir selbst. Aus der Weite erschien mir ein vor dem insolvent gegangenen Schlecker im Untergeschoss meines Hauses Wartender als jemand, den ich kannte. Ich erschrack für einen Augenblick und wusste zum ersten Mal nicht, was ich tun sollte. Weiter gehen? Ihn anschauen? Das Blut in mir spürte ich kaum, mein Leben kam im Schnelldurchlauf durch den Kopf gerannt, ich hörte bereits seine Stimme in meinem Inneren, kam näher, sah seine Brille und rannte an ihm vorbei, verstehend dass ich mich geirrt hatte. Eine Verrückte, dachte er. Wie gerne ich mich nicht geirrt hätte. Wie gerne. Wie gerne ich dich gesehen hätte.


Aus dem Februar, aus einem Brief, der nie abgesandt wurde:

Über die Steine im Zentrum von Prag laufen, wenn der heißeste Tag im August sie zum Glühen bringt und die Luft leise bebt, wie eine Fata Morgana... Da, da ist sie entflogen, wie eine Fee, die einfach nur eine Spaziergängerin ist und mich an Romy Schneider erinnert. Sie trug immer solche Leichtigkeit und das Urweibliche in sich.
Sie erdrückt morgens mit Gewalt den Kessel, wenn er kocht. Der Wasserdampf bleibt an den Fenstern hängen und tropft langsam fließend auf den Boden. Eine Lache aus Einsamkeit... Das kleine Katerchen kommt und leckt sie trocken, danach schnurrt sein Schnäuzchen nach Milch, die ich vergessen habe zu kaufen. Es ist Sonntag, die Kirche nebenan läutet zum Gebet und ich bleibe halbwach durch den Tag wandern. Man hört die Stimmen vom Untergeschoss, wenn jemand zu Besuch kommt, sie kochen gerade Pasta. Daneben übergibt sich jemand... Ich versuche, mich auf mein spätes Frühstück zu freuen. Mein kleiner Kater ist verschwunden, ich suche ihn hinter dem Sofa, auch in der Badewanne. Er ist nicht da. Hat er womöglich die Vögel auf dem Balkon entdeckt. Das Unwohl kriecht in mir hoch, den dicken roten Schal um den Hals bindend, wage ich es, in die Kälte hinaus. Er ist nicht da. Kein Schnurren, keine verspielten Pfoten am Fensterglas. Mein Einziger. Wo ist er nur hin. Habe ich ihn zufällig in dem Schrank versperrt oder wärmt er sich wömöglich bereits unter der Heizung? Ich suche ihn, meinen einzigen treuen Begleiter. Er ist nicht da. Ich habe ihn nur ausgedacht, um nicht allein zu sein und seine Wärme zu spüren. Es war die Einsamkeit, sie klopft immer monoton an die Fensterscheibe, wie im Gefängnis die Wärter an die Tür.

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