31. Dezember 2015

Freiheit, Fehler zu machen

Sehr interessant schreibt Mises über die Freiheit, Fehler zu begehen.

"(...) Tatsache ist, daß es in einem kapitalistischen System letzten Endes die Verbraucher sind, die Befehle geben. Der Souverän ist nicht der Staat, sondern das Volk. Ein Beweis, daß die Verbraucher die wahren Herrscher sind, liegt nicht zuletzt auch darin, daß sie das Recht haben, Dummheiten zu begehen. Das ist das Vorrecht des Herrschers. Er hat das Privileg, Fehler machen zu können, niemand kann ihn davon abhalten; er muß allerdings auch für seine Fehler bezahlen. Wenn wir feststellen, daß der Verbraucher an erster Stelle steht, daß er der Souverän ist, sagen wir damit nicht, daß er frei von Fehlern ist und jederzeit weiß, was das Beste für ihn ist. Sehr oft kaufen die Verbraucher Dinge, die sie vernünftigerweise nicht kaufen oder konsumieren sollten.
Es ist jedoch ein Irrtum zu glauben, daß im kapitalistischen System eine Regierung die Menschen durch Kontrollen davon abhalten könnte, sich selber zu schaden. Die Vorstellung, daß der Staat eine väterliche Autorität, daß er jedermanns Wächter ist, stammt von den Sozialisten. Vor einigen Jahren unternahm die Regierung in den USA einen gutgemeinten Versuch. Dieses sogenannte "noble Experiment" war ein Gesetz, das den Genuß von alkoholischen Getränken verbot. Es ist sicher richtig, daß viele Leute zuviel Branntwein oder Whisky trinken und daß sie sich damit schaden können. Viele Behörden in den USA bekämpfen auch das Rauchen. Sicherlich gibt es viele Menschen, die zuviel rauchen, obwohl es für sie besser wäre, nicht zu rauchen. Das wirft die Frage auf, die weit über eine wirtschaftliche Diskussion hinausgeht. Sie zeigt nämlich, was Freiheit wirklich bedeutet.
Nehmen wir mal an, es sei gut, den Menschen zu verbieten, sich durch übermäßiges Rauchen oder Trinken selbst zu schaden. Aber hat man einem solchen Verbot einmal stattgegeben, werden andere kommen und sagen: Ist der Körper alles? Ist nicht der menschliche Geist viel wichtiger? Ist nicht der Geist das eigentlich Menschliche an uns, die einzig wirklich menschliche Qualität? Wenn man der Regierung das Recht zugesteht, über den Verbrauch des menschlichen Körpers zu entscheiden, nämlich, ob man rauchen, trinken oder nicht trinken soll, dann ist es schwer, den Leuten eine richtige Antwort zu geben, die behaupten: "Der Geist und die Seele sind viel wichtiger als der Körper, und der Mensch schadet sich weit mehr, wenn er schlechte Bücher liest oder schlechte Musik hört und sich schlechte Filme ansieht. Es ist deshalb Pflicht der Regierung, die Menschen davon abzuhalten, diese Fehler zu begehen."
Wie Sie wissen, haben Regierungen und Behörden viele Jahrhunderte lang geglaubt, daß das wirklich ihre Aufgabe sei. Dies geschah keineswegs nur in den früheren Zeiten. Vor nicht allzu langer Zeit gab es in Deutschland eine Regierung, die es als ihre Pflicht ansah, zwischen guter und schlechter Malerei zu unterscheiden. Was gut und schlecht war, entschied ein Mann, der in seiner Jugend die Zulassungsprüfung für die Kunstakademie in Wien nicht bestanden hatte und sein Leben mit dem Malen von Postkarten fristete. Was gut oder schlecht war, entschied also ein Postkartenmaler. Und wer andere Ansichten über Kunst und Malerei äußerte als der oberste Führer, machte sich strafbar.
Räumt man erst einmal ein, daß es Pflicht des Staates sei, den Alkoholkonsum zu kontrollieren,  was kann man dann denen antworten, die behaupten, die Kontrolle von Büchern und Ideen sei viel wichtiger?
Freiheit bedeutet auch die Freiheit, Fehler zu machen. Dessen müssen wir uns bewußt sein. Wir dürfen durchaus sehr kritisch sein gegenüber unseren Mitbürgern, gegenüber der Art wie sie ihr Geld ausgeben und ihr Leben führen. Wir mögen der Ansicht sein, daß sie sich absolut töricht und schlecht verhalten. In einer freien Gesellschaft gibt es jedoch viele Möglichkeiten, unsere Meinung darüber zu äußern, wie sie ihre Lebensweise ändern sollten. Man kann Bücher oder Artikel schreiben, man kann Reden halten, man kann sogar, wenn man will, an Straßenecken predigen. Und das wird auch in vielen Ländern so gehalten. Aber man darf nicht gewissermaßen mit Polizeigewalt andere Menschen davon abhalten, gewisse Dinge zu tun, nur weil man selbst nicht will, daß die anderen die Freiheit dazu haben. 
Das ist der Unterschied zwischen Sklaverei und Freiheit. Der Sklave muß tun, was ihm sein Herr befiehlt, aber der freie Bürger - und das ist es, was Freiheit wirklich bedeutet - hat die Möglichkeit, seinen eigenen Lebensweg selbst zu wählen.(...)"

Aus: Ludwig von Mises, Vom Wert der besseren Ideen (Sechs Vorlesungen über Wirtschaft und Politik), Olzog Verlag 2008, S 45-47. [amazon]

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